Wenn Du das nicht aufisst, dann kriegst Du auch keine Gummibärchen. So oder so ähnlich verhalten sich Politiker auf dem Balkan. Sie lieben es, zu drohen. So etwa der Präsident von Kosovo letzte Woche: Wenn ich keine Unterstützung für die Gründung einer Armee kriege, geh ich. Oder der bulgarische Ministerpräsident Boyko Borissov im November letzten Jahres: Wenn ihr nicht meine Präsidenschaftskandidatin wählt, dann geh ich. Meistens kriegen sie, was sie wollen. Aber irgendwann ist das Maß voll, wie Borissov selber feststellen musste. Seine Kandidatin wurde nicht gewählt, es wurden vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt und jetzt hat er den Salat. Und der schmeckt ihm ganz und gar nicht.
Bulgarien wählt am kommenden Sonntag (26.03.2017) und diesmal ist es richtig spannend. Die Umfragen prognostizieren zwar Siege für die etablierten Parteien (30,3% für die Sozialisten (BSP) und 29,9% für GERB, die Partei von Borissov), aber die Meinungsforschungsinstitute lagen in den letzten Jahren oft genug daneben. Aber auch wenn die Sozialisten und die GERB-eri gewinnen, in der bulgarischen Parteienlandschaft passiert etwas Spannendes.
Aber erst einmal zum Unspannendesten, dafür mit Lachkrampfpotential: Der Wahlkampf der etablierten Parteien. Fangen wir mal mit GERB an: Die Partei von Boyko Borissov stellt ein Parteiprogramm vor, das wenig Beachtung kriegt, das übliche blabla, Status Quo, sie versprechen quasi das, was sie in den zwei Malen zuvor, als sie an der Macht waren, nicht gemacht haben. Aber die Leute glauben es nicht mehr. Komisch. Früher hat das funktioniert. Also was machen sie – ein paar Tage später präsentieren sie ein „neues“ Programm – und siehe da, es wird eine Justizreform versprochen und die Abschaffung der Immunität der Abgeordneten, damit „alle gleich vor dem Gesetz“ sind, steht es hier .
Dass sie selber eine Justizreform verhindert haben und dass in Bulgarien nicht alle gleich vor dem Gesetz sind, das wissen die meisten. Aber trotzdem werden ihnen viele das wieder einmal abkaufen. Während GERB also alte Versprechen neu verpackt, setzt die sozialistische BSP auf Emotionen: Die Parteivorsitzende, Kornelia Ninova, lässt sich am Denkmal von Todor Zhivkov, dem langjährigen kommunistischen Führer Bulgariens, fotografieren, steigt auf ein Pferd, zieht sich bulgarische Trachten an – was für Bilder. Patriotismus, Tradition und Bulgarentum soll die Herzen höher schlagen lassen. Das Beste aber kam vor wenigen Tagen und sorgte für viel Spott im Internet. So stellte Kornelia Ninova die Demokratie in Frage und meinte salopp: „Die Demokratie hat uns aber auch viel genommen…“ Das Netz kann sich seitdem gar nicht mehr einkriegen: „Die Demokratie hat uns vieles genommen, aber Kornelia Ninova gegeben“, spottet einer. „Die Demokratie habe uns viel genommen? Wo seht ihr denn diese Demokratie“, fragt sich ein anderer Twitterer. „Die Demokratie hat uns weggenommen, dass wir Bananen nur zum Jahreswechsel essen.“ So witzig geht es grad in Bulgarien zu. Wen interessieren schon Parteiprogramme.
Und da wäre noch die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), die die Interessen der bulgarischstämmigen Türken vertritt und lange Zeit ein Monopol auf diese Stimmberechtigten hatte. Aber ups, da hat einer das Wohlwollen des mächtigen Mannes in Ankara verspielt. Und so droht DPS – trotz der günstigen Ausgangslage, nämlich Wirtschafts- und Medieneinfluss – doch ein Dämpfer. Denn vergangenes Jahr hat ein Erdogan-Getreuer namens Ljutvi Mestan eine eigene Partei gegründet und kann nun auf das Wohlwollen Ankaras bauen.
Aber aufgepasst: Ein Gespenst macht sich breit, ein Gespenst der Veränderung. Es weht ein frischer Wind. „Da, Bulgaria“ ist ein neuer Hoffnungsträger. Jung, klug, voller Tatendrang – historisch unbefleckt. Mit rationalen Konzepten und der Wut auf die Eliten wollen sie Bulgarien verändern. Große Chancen haben die nicht. Erst einmal. Die Chancen stehen im Moment bei 2,3 Prozent. Aber die Etablierten zittern trotzdem. Und das hat was zu bedeuten. Das merkt man vor allem an der Berichterstattung. Wenn die Medien der Oligarchen mit schwerem Geschütz auffahren, dann ist die Angst also doch ziemlich groß. Vor wenigen Tagen hat die bulgarische Zeitung Telegraf ein Buch kostenlos verteilt, in dem u.a. die Personen von „Da, Bulagria“ diffamiert werden. Der Titel sagt alles: „Sie haben Bulgarien beklaut“. Dabei waren sie nie an der Macht. Eine schmutzige Kampagne. Und so steigt die Anspannung in Bulgarien – und verheißt viel Veränderung. Wenn nicht direkt nach den Wahlen, so doch später im Jahr, wenn die Etablierten, die nach den Wahlen wieder an die Macht kommen und nichts tun. Da könnte die Wut wieder hochkochen. Es droht eine Phase der Instabilität. Vielleicht aber mit einem Happy End und einem radikalen Elitewechsel. Es bleibt spannend.