Korruption nach Öffnungszeiten

Ich stieg in den Bus. Der war voll, aber die Busse, die entlang der Meeresküste fahren, sind immer voll – vor allem im Juli. Der Bus hatte seine besten Jahre schon lange hinter sich, aber zumindest lief er. Die Klimaanlage funktionierte mittelmässig – also nur für die, die direkt unter ihr sassen. Gott sei Dank war ich das. Der Bus fuhr los.

In der ganzen Menschenmenge von sitzenden und stehenden Leuten versuchte eine kleine aber gut geformte Frau durchzukommen. Mit einem Kassiergerät in der Hand und einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie hat es bis zu mir geschafft – 3,70 Leva (umgerechnet 1,60 Euro) kostete mich das Ticket bis zu meinem einzigen 2-stündigen Strandaufenthalt in diesem Sommer. Ich zahlte auch mit einem Lächeln – für den Spottpreis würde ich jeden Tag soviel zahlen, hätte ich bloß die Zeit für Rumsitzen am Strand. Egal.

Das Ticket wurde von dem Gerät in ihrer Hand gedruckt und ich konnte mich auf die Fahrt konzentrieren. Ein Kilometer weiter stieg ein anderer Kontrolleur ein – der muss echt bekloppt sein. Ob er es schafft, sich durch diesen überfüllten, nach Schweiss stinkenden Bus zu quälen? Doch Bulgarien tut alles, um die Korruption des kleinen Mannes zu bekämpfen. Er kontrollierte jedes einzelne Ticket gewissenhaft – das Datum, die Busfirma – alles musste auf dem Abdruck stimmen. Hat es auch. Später erfuhr ich, dass er für die Stadt arbeitet, die die privaten Anbieter nun ganz genau unter die Lupe genommen hat. Die Strafen seien hoch, und werden auch in der Tat bezahlt, versichert mir mein Sitzpartner, wenn der Staatliche Kontrolleur auch nur einen einzigen Fehler bei der nichtstaatlichen Kontrolleurin entdecken würde. Ich war so stolz, mein Bulgarien hat die Drohungen aus Brüssel und die Häme aus ganz Europa ernst genommen und geht jetzt richtig hart vor – zumindest da „unten“ in der Gesellschaft. Wehe eine arme Kontrolleurin würde da ein Ticket von 3,70 Leva nicht ausstellen und das Geld in die eigene Tasche stecken. Und so ging ich voller Optimismus baden, dass sich was in unserem Land bewegt.

Nach einem sehr netten Plausch mit Freunden und einer Abkühlung im Schwarzen Meer ging es wieder zurück zu meinen zwei kleinen Jungs nach Burgas. Ich stieg in den Bus ein, hielt brav meine 3,70 in der Hand. Der Bus war halbleer, wer würde bei diesem schönen Wetter schon um 18:30 Uhr zurückfahren wollen. Da kam schon die Kontrolleurin – eine andere, aber auch mit einem breiten Lächeln, nur ohne Ticketgerät. Ich gab das Geld, sie mir gar nichts. Ich fragte: „Und was, wenn der andere kommt, der Staatliche?“ Sie meinte: „Hast du schon auf die Uhr geguckt? Der trinkt bereits irgendwo Bier.“ Sie zwinkerte mir zu und drehte sich um.

Der kleine Hoffnungsschimmer in mir war erloschen. Genauso wie das Geld. Armes, armes Bulgarien, nichts wirst du von meinen 3,70 sehen. Genauso wie du nichts von all den Millionen siehst, die täglich deinem Auge entgehen, du Dummchen.

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