In den ersten zwei Kalenderwochen sind nach den vielen besinnlichen Feiertagen die meisten noch in Katerstimmung. Zeit für mich, einen Rückblick auf 2012 zu werfen.
Serbien: Wahlmarathon und Kosovo
Mein erster Eindruck von Belgrad im vergangenen Jahr (2012): Die Stadt wirkte noch westlicher auf mich als vor 5 Jahren. Schicke Cafés und Bars, große Einkaufshäuser, schöne Parks. Doch die inneren Werte zählen. Und diese lassen mich zweifeln.
Es war ein sehr wichtiges Jahr für Serbien – das Land wählte alles, was es zu wählen gab: Präsident, Parlament, lokale Politiker. Und für mich war das Ergebnis eine Überraschung. Obwohl ich wenige Tage vor den Wahlen mit einem Freund aus Belgrad gechattet hatte, der mir sagte, dass er und viele aus seinem Bekanntenkreis Tomislav Nikolic wählen werden, dachte ich mir nichts dabei. Alle wollten doch den pro-europäischen, westlich-orientierten – wie ihn die ausländischen Medien porträtiert haben – Boris Tadic wieder haben. Aber ich lag falsch. Die Menschen in Serbien waren enttäuscht von dem serbischen Sunnyboy Tadic: hohe Arbeitslosigkeit, steigende Preise, wenig Perspektiven. Vor allem der vom Rechnungsamt Anfang 2012 veröffentlichte Korruptions-Bericht wurde Tadic und seinen Vertrauten zum Verhängnis. Demnach sollen staatliche Institutionen mehrere Millionen Euro missbraucht haben vor allem durch die irreguläre Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Tadic und die doch so hoffnungsvollen Demokraten verloren die Wahlen – auf allen Ebenen. An die Macht kamen alte Bekannte: Tomislav Nikolic wurde Präsident, Ivica Dacic, ehemals rechte Hand von Slobodan Milosevic, wurde Ministerpräsident und bildete eine Koalition mit der Fortschrittspartei und der Union der Regionen Serbiens.
Das Land bekam im März den EU-Kandidaten-Status, aber der Startschuss für die Verhandlungen blieb aus. Wegen Kosovo. Denn das ist die größte Hürde für Serbien auf dem Weg nach Brüssel. Einen historischen Schritt machten Dacic und sein kosovarischer Amstkollege Hasim Thaci im Oktober vergangenen Jahres – sie trafen sich, ja! Immerhin. Zwar haben das die Präsidenten der beiden Länder noch nicht gemacht, doch Tomislav Nikolic erklärte 2013 zum Jahr der Aussöhnung. Mal schauen, ob er das halten kann. Ich bin skeptisch.
Kroatien: Letzte Anstrengungen
Sechs Jahre EU-Verhandlungen neigen sich dem Ende – der krönende Abschluss ist in Sicht: Am 1. Juli 2013 soll Kroatien offiziell das EU-Mitgliedsland Nr. 28 werden. Für Kroatien ist das ein längst fälliger Schritt, denn das Land fühlte sich schon immer dem Westen zugehörig. Schon als ich dort zur Schule gegangen bin, Ende der 1990er, wurde uns vermittelt, dass Kroatien nie wirklich zu dem Balkan gehört habe, in Geografie wurde mit viel Phantasie bewiesen, dass der Norden ein Teil Mitteleuropas sei, also der Rückschluss – Kroatien ist Westen! In Geschichte sowieso und sogar in der Literatur wurden die Beziehungen der Schriftsteller zur westeuropäischen Literaturszene beschworen. Endlich wird Kroatien diesen Drang, zum Westen auch schwarz auf weiß anzugehören, besiegeln. Und ich freue mich für das Land und meine Freunde dort mit. Immerhin hat in diesem Jahr Kroatien bewiesen, dass es den Kampf gegen die Korruption ernst meint – Ivo Sanader, der ehemalige Ministerpräsident wurde zu 10 Jahren Haft wegen Korruption verurteilt.
Ein anderes Ereignis, was große Wellen in Kroatien und in den Nachbarländern geschlagen hat, war der Freispruch von Ante Gotovina und Mladen Markac. Beide mussten sich vor dem Haager Tribunal für die militärische Großoffensive Operation Sturm verantworten, bei der die kroatische Armee 1995 die in Kroatien selbst ausgerufene Republika Srpska Krajina eroberte. Gotovina und Markac wurden beschuldigt, u.a. Serben gewaltsam vertrieben zu haben. In Kroatien wurde der Freispruch gefeiert, in Serbien sorgte er für Empörung. Ein Zeugnis dafür, dass die Länder noch nicht bereit sind, nach vorne zu schauen – erst muss die schmerzhafte Auseinandersetzungen mit der EIGENEN Vergangenheit, weniger mit der des Nachbarn, vorangetrieben werden. Dann kann man über die Zukunft innerhalb der EU sprechen. Wie die Länder diesen Prozess weiter gestalten werden, dass werden wir auch in diesem Jahr beobachten.
Bosnien und Herzegowina: Politisches Desaster
Ich war 2012 zwei Mal in Bosnien und habe dabei so viele Menschen getroffen, vor allem junge Menschen, die sich von dem Optimismus und Enthusiasmus der Politiker Anfang des Jahres, vor allem vom designierten Vjekoslav Bevanda, nicht beeinflussen ließen. „Das ist ein politischer Zirkus“, sagte immer wieder ein Freund von mir. „Man will weg, man will das Leben genießen, hier ist das schwierig“. Eine andere Bekannte hat eine Stelle nicht bekommen, weil sie nicht in der Partei ist. Perspektivlosigkeit, heißt das Wort.
Die Politiker waren das ganze Jahr über damit beschäftigt, Posten umzuverteilen, neu zu schaffen, abzuschaffen… und natürlich – den finanziellen Crash zu vermeiden. Verständlich wieso in Sachen EU nicht viel passiert ist. Die EU-Roadmap, wonach Bosnien konkrete Schritte fristgerecht umsetzen musste, wurde kaum beachtet. So war auch der EU-Bericht im Oktober sehr enttäuschend für das Land.
Im April wurde an die Opfer des Bosnien-Krieges gedacht – 11.541 rote Stühle wurden aufgestellt, Reporter aus der ganzen Welt, die damals vor 20 Jahren über den Krieg berichtet haben, trafen sich erneut in der Hauptstadt.
Kosovo: Bauarbeiten
Eigentlich ein erfolgreiches Jahr für Kosovo – im September endete die internationale „supervision“, Kosovo also jetzt nur halb-abhängig. Denn immer noch haben die „Internationalen“, wie die UN, die Amerikaner und die EU im Land genannt werden, die Zügel in der Hand.
Vor dem Kosovo liegt noch ein weiter Weg bis in die EU – Korruption, Datenschutz, Verhandlungen mit Belgrad … Und das Land gibt sich Mühe, Gefallen zu finden bei den anderen – zumindest hatte ich den Eindruck als ich im letzten Jahr Prishtina besucht habe. Vor allem das äußere Antlitz sollte stimmen, wenn Ausländer in das junge Land einreisen. Überall wird gebaut und renoviert, ich bin gespannt was mich dann dieses Jahr im Kosovo erwarten wird.
Für Mazedonien war 2012 ein turbulentes Jahr geprägt durch Konflikte zwischen der albanischen und mazedonischen Bevölkerung. Der Namensstreit mit Griechenland ist noch nicht geklärt und wird 2013 sicherlich weitergeführt. Die Beziehung zum Nachbarland Bulgarien sind abgekühlt, als das EU-Mitglied angekündigt hat, die EU-Bestrebungen Mazedoniens nicht unterstützen zu wollen.
In Bulgarien wird 2013 ein neues Parlament gewählt – der einstige Hoffnungsschimmer des Westens, Boyko Borissov, ist längst erloschen. Aber eine ernsthafte Alternative gibt es auch nicht. Wer wird das Rennen machen? Ich werde dabei sein und die Ereignisse in Sofia beobachten.