Kroatien – Liebe auf den zweiten Blick

Es war kurz nach den Balkankriegen als meine Familie und ich nach Zagreb gezogen sind. Wir lebten dort bis 2000, und am Ende war alles gut – ich habe Kroatien ins Herz geschlossen und ich fühle mich in Zagreb auch zuhause – aber es hat lange gedauert. Der Anfang war wirklich kein Spaß.

Ich konnte die Sprache nicht, es hat ein wenig gedauert bis ich sie gelernt hab. Und entsprechend viele Fehler machte ich zu Beginn. Einmal hab ich gesagt, dass die Schule „schwanger“ sei, dabei wollte ich sagen „schwer“ und schon lachte die ganze Klasse. Das ist normal, ich weiß, was sollen 14-Jährige sonst machen. Verlegen schmunzeln? Das war auch nicht so wirklich das Problem. Es war die Akzeptanz, bzw. die Nichtakzeptanz. Ich bin Orthodox (also offiziell auf dem Papier). Die Kroaten sind Katholisch. Das wäre alles kein Problem gewesen, wenn die Serben nicht auch Orthodox wären. Und Serben und Kroaten hatten wenige Jahre zuvor nun einmal einen blutigen Krieg ausgefochten. Also war ich in eine Reihe mit den orthodoxen Serben stigmatisiert. Hinzu kommt noch, dass ich ja aus Bulgarien komme und wir dort – wie die Serben – kyrillisch schreiben. Das sprach auch nicht für mich. Vielen, die das jetzt hier lesen, wird das ganze komisch vorkommen. Aber die Kroaten haben sich damals, Mitte der 90er nach dem Krieg, für ein wichtigeres, zivilisierteres, westeuropäisches Volk gehalten. Alles südlicher von ihnen existierte nicht, bzw. es existierte, aber sie wollten nicht Teil davon sein.

Es hat sich aber viel getan. Als ich diesen Frühling da war, sind meine ehemaligen Schulfreunde und ich auf ein Konzert gegangen – ein Konzert von einem Serben!!! Die Halle jubelte, für mich war es eine Überraschung. Jetzt war ich diejenige, die komisch darauf reagierte und sich fragte – wo ist die Abneigung gegenüber den Serben geblieben? Auf einmal war es für meine Freundinnen voll normal, serbische Lieder zu hören. In den 90ern war das Tabu, öffentlich verpönt. Und anscheinend kennt auch die Liebe keine Grenzen mehr – auch die ex-Jugo Grenzen nicht. Denn meine Freundin war der Meinung, dass serbische Männer besser aussähen als kroatische. Also wollte sie bald zum ersten mal in ihrem Leben nach Belgrad reisen. Ist das nicht schön?

Ivana, ich und Sonja auf dem Konzert von "Vlada Divljan i Ljetno Kino" in Zagreb.

Ivana, ich und Sonja auf dem Konzert von „Vlada Divljan i Ljetno Kino“ in Zagreb.

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