
Zavisa Bjelogrlic / CC BY-NC-ND 2.0
Arrogant, selbstgefällig, das Gegenteil von eloquent, um nicht zu sagen plump – so spricht Boyko Borissov, Bulgariens Ministerpräsident. Man kennt seine Art, nach sieben omnipräsenten Jahren fällt es einfach nicht mehr auf. Vieles, was er sagt, wird überhört – ach, das hat er doch nicht so gemeint. In Deutschland hätte er für sein Gerede schon den Hut nehmen müssen, in Bulgarien nicht.
Auch als er vor wenigen Tagen das hier gesagt hat:
„Ich hab mit den Jungs gesprochen. Jede Hilfe, die der Polizei, der Grenzpolizei und dem Staat zugute kommt, ist willkommen (…) Ich hab mit ihnen gesprochen und mich bei ihnen bedankt. Ich hab sie mit dem Chef der Grenzpolizei zusammengesetzt, so dass sie ihre Signale und alles andere miteinander koordinieren können. Der Staat gehört ja uns allen. Jeder der mithilft, verdient doch ein Dankeschön.“
In diesem Statement bedankt sich Boyko Borissov bei den entstandenen Bürgerwehren, die an der türkischen Grenze, Flüchtlinge festhalten, verbal und körperlich misshandeln und nach eigenen Angaben für Sicherheit und Ordnung sorgen. Bei diesen Menschen bedankt sich Bulgariens Ministerpräsident.
Diese Woche machte dieses Video Schlagzeilen: Bulgarische Männer nehmen mehrere Flüchtlinge fest, fesseln sie mit Kabelbindern und legen sie auf den Boden. Ein „Ordnungsverteidiger“ schreit in schlechtem Englisch die Flüchtlinge an, sie sollten zurück in die Türkei gehen. Das sind die Bürgerwehren, die Bulgarien vor den Flüchtlingen „retten“ sollen. Die Kommentare unter dem Video zeigen wie aufgeladen die Stimmung ist: „Ich bin stolz, dass ich Bulgare bin“, „Ihr hättet die töten müssen“ etc. Und noch einmal: Der Ministerpräsident lobt die Arbeit dieser Männer.
Beinahe wäre dieses Statement überhört worden, also in die Kategorie „Ach, Boykos Art eben“ gesteckt. Bis das Helsinki Committee in Sofia an diesem Montag (11.04.2016) Bulgariens Ministerpräsidenten angezeigt hat. In einem Brief an den Oberstaatsanwalt wirft das Helsinki Committeee Boyko Borissov Verstoß gegen Paragraph 162 (1) „Straftat gegen Menschenrechte“ und Paragraph 320 (1) „Straftat gegen die öffentliche Ordnung“ des Strafgesetzbuches vor.
Ein kleiner Rückblick: Noch vor wenigen Tagen wurde Dinko, der nach eigenen Aussagen Jagd auf Flüchtlinge mache, als Held gefeiert. In den sozialen Medien wird er „Dinkata“ genannt, ein Kosename, eine Verniedlichung. Man dachte – ich dachte – er bleibt ein Einzelfall – vor allem nach der vielen Kritik von Außen.
Aber nein, es ist mehr als offensichtlich, dass Bulgarien nach rechts abdriftet. Früher waren rechtspopulistische Parolen nur auf Parteitagen von Ataka und Demonstrationen rechter Gruppen zu hören, doch nun – so scheint es – hat das Geschwür des Hasses große Teile der Bevölkerung befallen.