Verhärtete Fronten an der Bucht von Piran

Seit 18 Jahren streiten Zagreb und Ljubljana um den Grenzverlauf in der Bucht von Piran an der nördlichen Adriaküste. Die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten erreichten im vergangenen Jahr ihren Tiefpunkt. Der Konflikt droht die EU-Beitrittsverhandlungen des Kandidatenlandes Kroatien auf ungewisse Zeit zu verzögern.

Im föderalen Jugoslawien, dem auch Kroatien und Slowenien bis zum Jahr 1991 als Teilrepubliken angehörten, war eine juristisch festgelegte Grenze entlang der territorialen Gewässer praktisch nicht vorhanden. Seit dem Zerfall Jugoslawiens und der nachfolgenden internationalen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens tobt jedoch ein heftiger Streit um die zwischenstaatliche Grenze in der Bucht von Piran. Für beide Konfliktparteien ist diese Angelegenheit eine Frage der nationalen Identität und des nationalen Interesses.

Slowenien versucht seinen Anspruch auf das Territorium historisch zu begründen und erinnert daran, dass vor 1991 ausschließlich die slowenischen Behörden für die Bewachung der Bucht verantwortlich waren. Eine Lösung des Konflikts zu Gunsten Sloweniens würde dem Land einen Zugang zu internationalen Gewässern gewähren. Andernfalls müssten slowenische Schiffe die kroatischen oder italienischen Hoheitsgewässer durchqueren und wären somit immer auf die Zustimmung des jeweiligen Landes angewiesen. Kroatien hingegen fordert eine gleichmäßige Aufteilung der Bucht und gründet seinen Standpunkt auf dem 1982 verabschiedeten internationalen Seerechtsübereinkommen, auch genannt die „Verfassung der Meere“.

Gescheiterte Lösungsversuche

Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu Zwischenfällen, bei denen Fischer, die sich unwissend in den benachbarten Hoheitsgewässern bewegten, festgenommen wurden. An Versuchen seitens der beiden Staaten, den Streit friedlich beizulegen, hat es zwar nicht gemangelt, doch scheiterten die meisten Bemühungen. So einigten sich der kroatische Ministerpräsident, Ivica Racan, und sein slowenischer Amtskollege bereits 2001 auf ein Abkommen, das Slowenien 4/5 der Bucht und somit auch den Zugang zu internationalen Gewässern durch einen Korridor zusicherte. In Kroatien stieß diese Vereinbarung jedoch auf scharfe Kritik: Der Sabor, das kroatische Parlament, hat dieses Abkommen, das als Verrat der nationalen Interessen angesehen wurde, nie ratifiziert.

Für eine Eskalation des Grenzstreites sorgte die 2003 von kroatischer Seite ausgerufene und 2004 in Kraft getretene ökologische Fischerei- und Umweltschutzzone, welche ein Großteil der Bucht von Piran umschloss. Als offizielles Argument für diese Entscheidung gab Kroatien den Erhalt der natürlichen Ressourcen an. Im Januar 2008 erklärte Zagreb dann die Schutzzone einseitig auch für EU-Staaten als geltend. Der Tiefpunkt der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten war erreicht.

Vom bilateralen Konflikt zum EU-Eklat

Kroatien möchte diesen Streit nicht an seine Beitrittsverhandlungen mit der EU koppeln und fordert eine juristische Beilegung des Konflikts vor dem Internationalen Gerichtshof. Slowenien nutzte seinen Status als EU-Mitgliedstaat und drohte die Beitrittsverhandlungen Kroatiens mit der EU zu blockieren. Im Zuge dieser Auseinandersetzung ist es Ljubljana gelungen, eine Ausnahmeregelung von Kroatien einzufordern, die die ökologische Fischerei- und Umweltschutzzone für EU-Staaten aussetzt.

Im Dezember 2008 jedoch legte Slowenien sein Veto gegen den Abschluss und Neueröffnung von insgesamt 14 Kapiteln in den EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien ein. Der Grund dafür seien die Karten und Dokumente, die Kroatien auf den Verhandlungstisch gelegt habe, so der slowenische Außenminister Samuel Zbogar in einem Interview mit BBC News. Diese würden eine Lösung des Grenzkonflikts zu Gunsten Kroatiens vorwegnehmen.

Übernahm die EU zu Beginn des Konflikts noch die Rolle eines Beobachters, positionierte sie sich im Laufe der Zeit zunehmend als Vermittler: Während Brüssel vor dem EU-Beitritt Sloweniens eine direkte Einmischung, mit der Begründung es handele sich um ein bilaterales Problem, vermied, versucht sich die EU seit der Aufnahme der Beitrittsgesprächen mit Kroatien im Oktober 2005 als Streitschlichter, um den Konflikt mit diplomatischen Mitteln von der emotionalen Polemik auf eine sachliche Ebene zu führen. Dafür müssen beide Seiten ihre Kompromisslosigkeit und Hartnäckigkeit jedoch zunächst ablegen. Ansonsten droht eine weitere Verschiebung der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien, ein EU-Beitritt würde dann in weite Ferne rücken. Eine weitere Verzögerung des EU-Beitritts von Kroatien ist weder im Sinne von Slowenien noch von Kroatien. Die intensiven Handelsbeziehungen und und der traditionell enge Kontakt zwischen der Bevölkerung werden durch die EU-Außengrenze behindert.

Die neuesten Entwicklungen in dieser Angelegenheit geben aber wieder einen Grund zur Hoffnung: In der vergangenen Woche haben der slowenische Premier, Borut Pahor, und seine kroatische Amtskollegin, Jadranka Kosor, positive Zeichen für eine baldige Schlichtung des Konflikts ausgesandt. Beide Regierungschefs setzen auf stille Diplomatie, die bis Ende des Jahres in eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung des Konflikts enden soll. Der Dialog sei konstruktiv und über die Mehrheit der umstrittenen Punkte sei bereits Einigung erzielt worden, so die kroatische Ministerpräsidentin.

Der Artikel ist am 9. September 2009 auf www.europa-digital.de erschienen.

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