„Brutaler Sarkasmus gegen eine brutale Politik“

Ganze Medienimperien haben sich einflussreiche Wirtschaftsbosse auf dem Balkan
aufgebaut – sie steuern die Meinung im Land, untergraben die Pressefreiheit,
kontrollieren den Geist. Wenige Journalisten trauen sich, gegen diese gelenkte
Medienlandschaft das Wort zu erheben. Und wer es dennoch wagt, setzt einiges
aufs Spiel – nicht zuletzt sein eigenes Leben. Ich durfte in Belgrad eine
dieser seltenen Spezies Journalisten treffen, die diesen schwierigen Weg
gewählt hat. Sein Name – Tomislav Markovic.

Die Redaktion – ein kleines Team von Spätaufstehern und
Schwarz-Kaffee-Trinkern. Die Räumlichkeiten – ein Apartment im Zentrum
Belgrads, hohe Decken, quietschende Türen, undichte Fenster. Darin verbringt
Tomislav Markovic seine Arbeitstage. Der 36-Jährige – ein Satiriker und
scharfer Kritiker der serbischen Politik – arbeitet bei „e-novine“, einem
Nachrichten-Internetportal.

Tomislav in der Redaktion

Tomislav in der Redaktion

Nur wenige Journalisten in Serbien trauen sich, Boris Tadic „Bota“ oder Vuk
Jeremic „Mr. Universe“ zu nennen, doch er schreibt, was er denkt, ohne Angst zu
haben, am nächsten Tag seinen Job zu verlieren. Denn sein Chef ist ein noch
größerer Kritiker der politischen Elite in Serbien. Mit seinem brutalen
Sarkasmus, wie er seine Arbeit selber beschreibt, will Tomislav Markovic die
Gesellschaft wachrütteln, ihr erklären, wieso Gay Pride stattfinden soll und
wieso Serbien zu seinen Kriegsverbrechen stehen muss. Heikle Themen, die in
einem Land wie Serbien stark polarisieren.

Doch die Redaktion bleibt standhaft und zeigt Stärke: z.B. beim Thema Kosovo.
„Die Politiker nutzen das Thema, um von anderen Themen, wie einer desolaten
Wirtschaftslage oder Vergangenheitsbewältigung abzulenken. Kosovo ist wie ein
rotes Tuch, das einem die Aufmerksamkeit einfangen soll. Wir bei e-novine haben
eine klare Meinung dazu und deswegen ist die Rubrik „Kosovo“ nicht unter
„Serbien“, sondern unter „Regionen“ einsortiert, dort wo auch Bosnien und
Herzegowina, Kroatien und Montenegro zu finden sind“, sagt Tomislav.

Dazu gehört eine große Portion Mut, denn Stimmen, die die andere Meinung
vertreten, sind oft lauter. Ein Antipatriot, ein Verräter – was er sich alles
anhören musste. Doch bei unserem Gespräch setzt Tomislav noch einen drauf: „Es
ist fürchterlich, sowas zu sagen, aber ich bin eigentlich sehr froh, dass die
EU wie ein Polizist und Lehrer hinter unseren Politikern her ist und sie in die
Ecke verweist oder an den Ohren zieht, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Das
einzige, was die serbischen Politiker nun machen müssen, ist zu hören, was
Brüssel ihnen sagt und das dann umsetzen.“

Wo bleibt der Widerstand?

Wo bleibt der Widerstand?

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