Nach den Worten des EU-Erweiterungskommissars, Olli Rehn, wird 2009 das „Jahr des Westlichen Balkans“ sein. Jedem soll die Freiheit einer eigenen Interpretation dieser so unpräzisen Ankündigung geboten werden. Meine sieht wie folgt aus.
Jedes Jahr beginnt voller Optimismus, dass alles anders und besser wird als früher. Diese Hoffnungen wurden zu Beginn dieses Jahres aber schnell begraben, denn die negativen Nachrichten haben nicht lange auf sich warten lassen. Der Streit zwischen Russland und der Ukraine über die Gaslieferungen hat noch die Feierstimmung zum Jahreswechsel im wahrsten Sinne des Wortes zum Erfrieren gebracht. Erinnerungen aus den 90ern Jahren kamen wach, als Strom und Wasser rationiert wurden. Doch solche Szenen haben sich nicht wiederholt. Unwahrscheinlich sind sie dennoch nicht! Die Sicherung der Energieversorgung bleibt eine existentielle Frage für alle. Dieses Problem kann nicht national geregelt werden, es sind staatenübergreifende Maßnahmen zu treffen. Dabei sollte die EU mehr Handlungsinitiative zeigen und ihre in der Planung stockende Projekte für Diversifizierung der Energieversorgung forcieren. Sollte es dazu kommen, wird Südosteuropa eine wichtige Stellung eingeräumt. Die Energieprobleme werden nicht die einzigen sein, die dieses Jahr auf uns zukommen werden. Viele ungelöste Fragen warten auf Antworten. Hier eine kleine Auswahl.
Kroatien wird der nächste Staat sein, der der EU beitreten wird. Wann sich die Toren Brüssels allerdings öffnen werden, bleibt noch ungewiss. Das irische Nein zu dem Lissabon-Vertrag katapultierte die Assoziierungsprozesse in weite Ferne. Es heißt für Kroatien also auf der Wartebank sitzen, geduldig sein und weiter hoffen. Doch das gescheiterte Referendum ist nicht der einzige Stolperstein. Der nördliche Nachbar, Slowenien, droht mit einem Referendum, das über den Beitritt Kroatiens entscheiden soll. Obwohl Ljubljana vor Antritt seiner EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte von 2008 die Intensivierung der EU-Erweiterungspolitik als Priorität ihrer Agenda nannte, zeigt sich heute das zwei Millionen Land am skeptischsten gegenüber einem baldigen Beitritt Kroatiens. Der Streit zwischen den beiden Staaten über den Verlauf der gemeinsamen Grenze, der immer noch nicht beigelegt ist, torpediert die weiteren Assoziierungsprozesse. Slowenien hat allein während der französischen Ratspräsidentschaft zwei Mal das Eröffnen neuer EU-Kapitel blockiert. Es scheint so, als ob sich Zagreb mit viel Geduld wappnen müsse.
In diesem Jahr sollte die EU Serbien mehr Aufmerksamkeit schenken und nach dem Motto „Worten sollten Taten folgen“, ist es an der Zeit, dass die versprochenen Visa-Erleichterungen für serbische Bürger nun in die Praxis umgesetzt werden. Des Weiteren sollte der Dialog mit Belgrad aktiver gefördert werden, denn nur so können antieuropäische Ressentiments in der Bevölkerung gedämpft werden.
Bosnien-Herzegowina, das zwar in den letzten Jahren aus den Schlagzeilen der Tageszeitungen verdrängt wurde, kann in diesem Jahr für neuen Schreibstoff sorgen. Das fragile Staatengebilde ist von einer Teilung bedroht. Die dort drei lebenden Ethnien finden keine gemeinsame Sprache und blockieren absichtlich die weitere Konsolidierung des Landes. Wo überall auf der Welt von Dezentralisierung als Voraussetzung für Demokratie gesprochen wird, wird in BiH eine Politik der Zentralisierung verfolgt, die offensichtlich nicht funktioniert. Der Versuch, zwanghaft einen künstlichen einheitlichen Staat zu bilden, ist gescheitert. Vor allem Milorad Dodik, der Premier von Republika Srpska, zeigt sich hartnäckig und wenig kooperativ. In einem Interview vom 8. Januar 2009 für die österreichische Zeitschrift „Der Standard“ betont der bosnisch-serbische Leader, dass ein zentral verwaltetes Bosnien mit großen Befugnissen, welche weder im Dayton-Friedensabkommen noch in der Verfassung enthalten sind, sich nicht durchsetzen würde. Es sei sein Ziel, die Republika Srpska „unzerstörbar und selbstständig funktionsfähig“ zu machen und was mit BiH als Ganzes passiert, ist nicht von seinem Interesse. Mal schauen welchen unrealistischen Lösungsansatz für dieses gravierende Problem die klugen Köpfe in Washington und Brüssel nun diesmal liefern werden.
Im Falle Mazedoniens soll die EU endlich die Beitrittsverhandlungen aufnehmen. Sicherlich ist ein Widerspruch aus Athen zu erwarten, doch hier sollte EU firm bleiben und versuchen, mehr Druck auf Griechenland auszuüben. Andererseits wird die instabile innenpolitische Lage in Mazedonien den Fortschrittsprozess des Landes gefährden. Ethnische Konflikte zwischen dem albanischen Bevölkerungsanteil und der christlich geprägten mazedonischen Mehrheit sind somit vorprogrammiert.
In Bulgarien erwarten uns Mitte des Jahres spannende Parlamentswahlen, die mit viel Hoffnung verbunden sind. Dem Land wurden die Gelder aus den EU-Fonds, aufgrund der schwerwiegenden Korruptionsskandale und Missstände in der Justizverwaltung, gestoppt, was mit sozialen Unruhen und Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik einherging. Wird der neue Premierminister das Land aus dieser Pattsituation rausholen können oder anders formuliert: was wird sich ändern, wenn sich letztendlich doch nichts ändert.
Offensichtlich stehen vor uns noch viele Herausforderungen, die auf rasche Lösungen warten. Ein positives Szenario für den Balkan wäre, dass Irland Ende des Jahres den Lissabon-Vertrag ratifiziert und somit der Assoziierungsstrategie der Kandidatenländer freien Lauf gewährt wird, dass die Niederlande von ihrer eisernen Politik gegenüber Belgrad abweichen und ihre Zustimmung für das SAA geben wird, dass für BiH ein realistischer Zukunftsplan erarbeitet wird und nicht ein Dayton II, und dass in Bulgarien eine stabile Regierung an die Macht kommt.
Es wird ein sehr spannendes Jahr … voller Hoffnungen.