Die Sprache – eine soziale Zeitbombe?

Kruh, kruh, kruh (Brot auf Kroatisch) – bloß nicht hleb (Brot auf Serbisch)
sagen, sonst wurde man ganz böse angeschaut in der Bäckerei. Früher war das
egal, wo du welches Wort für „Brot“ benutzt. Klar, man konnte direkt erkennen,
woher du aus Jugoslawien kommst, aber das weckte mehr Neugierde als Abneigung.
Anders Ende der 90er. Da wurde die Sprache zum wichtigen Identifikationsmerkmal.

Als ich in Zagreb gelebt habe, war es schwierig für mich, diese feinen
Unterscheide zwischen Serbisch und Kroatisch zu verstehen, sie mir in den Kopf
zu brennen. Manchmal konnte dich ein einfaches „j“ oder „ij“ im Wort
disqualifizieren. („breg“ sagen die Serben, „brijeg“ die Kroaten, „lijepo“ auf
Kroatisch, „lepo“ auf Serbisch). In der Schule, beim Arzt, beim Einkaufen, im
Gespräch mit den Nachbarn, man musste immer hellwach sein, wenn man sprach. Die
Erinnerungen an den Krieg waren noch sehr frisch, die Gemeinsamkeiten mit
Serbien sollten ausgelöscht werden. Und so mussten wir uns in der Schule
(und im Fernsehen) anhören, welche neuen Wörter den kroatischen Wortschatz von
heute auf morgen bereichert haben. Zrakoplov (Helikoper), brzojav (Telegramm) –
jede Woche kamen neue Wörter hinzu. Die Sprache war nach dem Krieg das stärkste Instrument, seine Identität neu zu definieren, neu zu erfinden.

Die Rolle der Sprache wurde nicht nur in Kroatien stark diskutiert. Auch in
Bosnien und Herzegowina wurde die Sprache als Symbol für eine
Volkszugehörigkeit instrumentalisiert. In Sarajevo habe ich viele Menschen
getroffen und mit ihnen über Sprache und ihre Kraft, Gesellschaften zu
spalten, gesprochen. Hier was ich dabei gelernt habe.

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Vier Begegnungen und ein Todesfall

„Er wollte einfach nicht unterschreiben, weil auf der Rückseite das Wappen Bosnien und Herzegowinas (BiH) abgedruckt war“, erzählt mir S. Und zündet die nächste Zigarette an. Eine nach der anderen. Bald sind lokale Wahlen in BiH. Er ist vor ein paar Monaten der multiethnischen Partei „Nasa Stranka“ beigetreten. Um diese in seiner Stadt registrieren zu dürfen, musste er Unterschriften sammeln. Daran ist er gescheitert. In seiner Stadt, Doboj, in Republika Srpska, leben überwiegend Serben, die sich Belgrad viel näher fühlen, als Sarajevo. Platz für eine multiethnische Partei gibt es nicht.

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Klein-Balkan im 20. Wiener-Bezirk

Urlaub. Nur sechs Tage – aber immerhin, besser als gar nichts. Ich habe meine Eltern in Wien besucht, vor einiger Zeit sind sie umgezogen – vom Naschmarkt (Zentrum) in den entfernten 20. Bezirk. Eigentlich keine schlechte Gegend. Die Donau ist um die Ecke, mit einer schönen Uferpromenade. Gegenüber der Wohnung gibt es zwei große Spielplätze – für meinen 15-Monate alten Sohn der Himmel auf Erden. Also packten wir am nächsten Morgen Schaufel und Fußball und fuhren mit dem neuen Dreirad zum Spielen. Ich war grad von meiner Bosnienreise zurückgekehrt, aber so richtig sicher war ich mir dann doch nicht. Denn die Amtssprache auf dem Spielplatz war Balkanesisch. Ich weiß schon, dass viele aus dem ehemaligen Jugoslawien in Wien leben, aber ich wusste nicht, dass die Österreicher vom Aussterben bedroht sind. Zumindest im 20. Bezirk.

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